Was regelt das Betreuungsrecht?

Wenn ein erwachsener Mensch durch eine andere Person in Angelegenheiten vertreten wird, die er selbst nicht regeln kann, spricht man von einer „rechtlichen Betreuung“. Der Grund dafür können psychische Krankheiten oder verschiedene Behinderungen sein.

Rund 1,3 Millionen betreute Menschen gibt es in Deutschland. Etwa 60 Prozent der Betreuer sind derzeit Familienangehörige oder andere ehrenamtlich tätige Personen. Rund 40 Prozent sind durch ein Gericht eingesetzte Berufsbetreuer, zum Beispiel Rechtsanwälte. In beiden Fällen bestimmt jedoch ein Gericht vor der Anordnung einer Betreuung im Einzelfall, für welche Aufgabenbereiche ein Betreuer oder eine Betreuerin bestellt wird: zum Beispiel für Vermögensangelegenheiten oder für die Gesundheitssorge.

Zuletzt war das deutsche Betreuungsrecht 1992 reformiert worden und hatte das bis dahin geltende Vormundschaftsrecht abgelöst hat. Seitdem gibt es für volljährige Menschen keinen Vormund mehr, sondern nur noch Betreuer. In den letzten Jahren hatten allerdings Verbände und Interessensvertretungen von Menschen mit Behinderung weitere Reformen des Betreuungsrechts gefordert. So war insbesondere kritisiert worden, dass stellvertretende Entscheidungen für betreute Menschen getroffenen werden können. Ein weiterer Kritikpunkt war die Option von Zwangsmaßnahmen als Ultima Ratio, zum Beispiel im Bereich der Psychiatrie.

Dem hat der Gesetzgeber nun Rechnung getragen. Zum 1. Januar 2023 wird die größte Reform des Kindschafts-, Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrechts seit dem Bestehen des BGB in Kraft treten. Ziel des Reformgesetzes ist es, das Betreuungsrecht grundlegend zu modernisieren und an die gesellschaftliche Entwicklung anzupassen. Ziel der Reform des Betreuungsrechts ist die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und der Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen. Die gesetzlichen Änderungen betreffen sowohl den Betreuten als auch den Betreuer.

Was ändert sich?

  1. Unterstützungsbedarf ist vorrangig:

Bei der Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers steht künftig weniger die medizinische Feststellung von Defiziten der betreffenden Personen im Mittelpunkt, vielmehr wird der konkrete Unterstützungsbedarf in den Vordergrund gestellt. Nicht der medizinische Befund einer Krankheit oder Behinderung ist die vorrangig festzustellende Voraussetzung für die Ein-richtung einer Betreuung, sondern der individuell und konkret zu bestimmende Unterstützungsbedarf des hilfsbedürftigen Betroffenen.

  1. Mehr Selbstbestimmung für den Betroffenen:

Das reformierte Betreuungsrecht gewährleistet dem Betreuten mehr Selbstbestimmung im Vorfeld der Einrichtung einer rechtlichen Betreuung und während der Betreuung.

  1. Stärkere Orientierung an den Wünschen des Betroffenen:

Nach altem Recht hatte der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es (von außen betrachtet) dessen Wohl entspricht. Nunmehr stehen die Wünsche des Betreuten bzw. dessen mutmaßlicher Wille im Vordergrund des Betreuerhandelns. An den Wünschen des Betreuten hat sich im Übrigen auch die Eignung des Betreuers zur Ausübung der Betreuung und die Wahrnehmung der gerichtlichen Aufsicht, vor allem im Rahmen von Genehmigungsverfahren, zu orientieren.

  1. Bessere Information des Betreuten:

Durch das neue Recht wird sichergestellt, dass der Betroffene in sämtlichen Stadien des Betreuungsverfahrens besser informiert und stärker eingebunden wird. Das betrifft unter anderem die gerichtliche Entscheidung über das Ob und Wie der Betreuerbestellung, die Auswahl des konkreten Betreuers und dessen Kontrolle durch das Betreuungs-gericht.

  1. Eignung der Betreuer:

Berufsbetreuer müssen sich künftig bei einer Betreuungsbehörde registrieren lassen und persönliche und fachliche Mindesteignungs-voraussetzungen nachweisen. Ehren-amtliche Betreuer, die keine familiäre oder persönliche Bindung zur betreuten Person haben, sollen sich an einen Betreuungsverein anschließen, der sie beraten und fortbilden kann.

  1. Stärkung der Aufsicht und Kontrolle:

Die gerichtliche Aufsicht wird stärker auf die Ermittlung der Wünsche des Betreuten ausgerichtet. Zur Sicherung der Qualität einer rechtlichen Betreuung gehört es auch, dass der Betreute möglichst effektiv gegen Missbrauch der dem Betreuer übertragenen Handlungsbefugnisse geschützt wird. In diesem Zusammenhang enthält das neue Betreuungsrecht verschiedene Maßnahmen zur Vorbeugung von Missbrauch der Betreuerstellung. Pflichtwidrigkeiten des Betreuers, insbesondere solche, die die Selbstbestimmung des Betreuten beeinträchtigen, können zukünftig besser erkannt und sanktioniert werden.

  1. Einführung eines Notvertretungsrechts für Eheleute:

Nach altem Recht konnten Ehegatten weder Entscheidungen über medizinische Behandlungen für ihren nicht mehr selbst handlungsfähigen Partner treffen, noch diesen im Rechtsverkehr vertreten, solange sie nicht als rechtliche Betreuer ihres Partners bestellt oder von ihm im Rahmen einer Vorsorgevollmacht hierzu wirksam bevollmächtigt worden waren. Besonders in der ersten Zeit nach einem Unfall oder einer plötzlich auftretenden schweren Krankheit kann es für Betroffene und Angehörige jedoch eine zusätzliche erhebliche Belastung bedeuten, wenn es erst eines gerichtlichen Verfahrens zur Betreuerbestellung bedarf, um dem Ehegatten auch in rechtlicher Hinsicht beistehen zu können. Ab 1.1.2023 werden die Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten in Akut- oder Notsituationen verbessert, indem dem Ehegatten zeitlich begrenzt eine Möglichkeit eröffnet wird, den handlungsunfähigen Ehegatten in einer Krankheitssituation zu vertreten.

 

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Oliver Peschkes